Perlensuche zwischen Bordeaux und Gijon

Surfer ohne Kinder haben es vergleichsweise einfach. Sie steigen in ihren Bus, der alle Höhenbeschränkungen unterfährt und schlafen notfalls auch zu zweit mit ihren Brettern im Bus. Als vierköpfige Familie hatten die Rostocker das langjährige Tetris-Spielen aufgegeben und fuhren mit Wohnmobil und 7 Surfbrettern im Gepäck gen Süden. Gute Trainingsbedingungen für den talentierten Nachwuchs waren ebenso gesucht, wie Einsteigerbedingungen für die Anfänger und schöne Plätze mit Urlaubsglück für alle. Ein Reisebericht.
Eine Perlensuche ist eine Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Man sucht etwas Wertvolles und Seltenes und muss dazu Geduld und Ausdauer mitbringen. In viele Muscheln muss man schauen, bis man endlich die eine öffnet und die für einen bestimmte Perle findet. So ähnlich geht es dem deutschen Wellenreiter auf der Suche nach dem perfekten Line-Up in den Sommerferien. Das Ziel ist klar. Schöne Wellen, an schönen Stränden, für optimales Manövertraining. Denn natürlich ist die Fährwelle in Warnemünde nett und viel besser als nichts, aber wenn man die erste Air und den ersten Floater verfestigen möchte, wünscht man sich einfach Wellen mit mehr Wumms. Kalt sollte es auch nicht sein, denn das kennt man ja aus dem Frühjahr von zu Hause. Also führt die Suche für unsere Familie in diesem Jahr an den Atlantik nach Frankreich und Spanien.

Es ist ein weiter Weg von Rostock an die südfranzösische Atlantikküste. Besonders wenn man in die sechste Klasse kommt ist und eine Autostrecke nicht in km sondern in Tankstops gemessen wird. "Müssen wir schon wieder tanken?", fragt León, der 11 Jahre alt ist, und schon seit 5 Jahren mit dem Surfvirus infiziert ist. "Ja, wir müssen. Aber wir sind jetzt schon fast in Belgien." "Cool, die haben die Autobahn orange beleuchtet.“ Etliche Beleuchtungen und zwei Tankfüllungen später haben wir Reiseziel Nr. 1 erreicht. Erstmal Mimizan an der französischen Atlantikküste checken, den aktuellen Austragungsort der Deutschen Meisterschaften im Oktober. "Hier, das kenn ich. Hier musst du links, da geht’s dann direkt zum Strand." León navigiert unser Wohnmobil sicher zum ersten Spot, den er letzten September als jüngster Teilnehmer das erste Mal gesurft ist. Heute sind mehr als vier Surfer auf der Welle, doch zum Ansurfen reicht es und nach einer kalten Vorsaison in Rostock und Dänemark, die bereits im März bei 7° Wassertemperatur eingeläutet wurde, ist der Atlantik mit seinen 22° die reinste Badewanne. Leider sehen das auch die vielen badenden Touristen so, die hier in der Hauptsaison wenig Respekt für den Nationalsport Surfen zeigen und lustig die Brandung auf ihre Bäuche klatschen lassen, genau unterhalb der besten TakeOff-Zone.
Für León und seinen Vater Thomas besteht hier die größte Herausforderung nicht im Catchen der Welle, sondern im taktischen Positionieren im Line-Up und im Ausweichen von Badenden, die einem irgendwie immer wieder folgen, egal wo man hinpaddelt. Auch die Strömung ist nicht ohne und erweist sich als so stark, dass Luna, unsere achtjährige Tochter, doch besser ohne Bodyboard hinter der Sandbank am Strand bleibt und Muscheln sammelt. Der Swell ist nicht groß an diesem Tag, aber die Wellen sind so kraftvoll, dass es die Finnen von Leóns Semiseco-Board schaffen nach einem kraftvollen Bottomturn, einmal das Wasser zu verlassen – Tagesziel erreicht, Glück
perfekt.

Am Straßenrand kaufen wir die süßesten und saftigsten weißen Pfirsiche des ganzen Urlaubs von einem netten Händler und finden das ist schon mal ein guter Anfang.
Wir beschließen Mimizan hinter uns zu lassen und steuern direkt nach Süden. Direkt heißt, wir fahren direkt über "Los" und nehmen die Autobahn nach Biarritz, die hier zwar ordentlich Maut kostet, aber irgendwie wollen wir nach so vielen Tankstopps in den letzten zwei Tagen auch mal ankommen. Unser Navi ist alt, aber es kennt immer die beste und kürzeste Strecke. Und die führt mitten durch die Einkaufszone von Biarritz zu einem Wohnmobilparkplatz, der nur 5 Minuten Fußweg vom Stadtstrand entfernt ist. Und noch besser: wir finden sofort einen Platz. Nur der Stromanschluss ist eine Herausforderung für sich, aber wir lernen: hier wird sich geholfen, so unter WoMo-Campern: "Pas de probleme..." Nett. Dann alle vier das zweite Mal für heute auf die Welle. Die Sonne steht schon ganz schön niedrig und zaubert dieses magische Glitzern auf den Atlantik und die Wellen, die nicht groß sind und schnell zumachen, aber uns immerhin ein paar Rides schenken. Nicht direkt Trainingsbedingungen. Für León und Thomas zu klein und zu kurz, für Luna zuviel Strömung, und Anja ist nicht wirklich schnell genug, aber trotzdem kommen alle bei so netter Aussicht auf die Steilküste von Biarritz grinsend vom Wasser.
Schnell finden wir bei den besser vernetzten Surfern in den Nachbarbussen heraus, dass in den nächsten Tag gar nichts läuft und wir wollen doch surfen und nicht Däumchen drehen. Konsequent machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg gen Westen – vielleicht läuft ja was in Kantabrien...
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