Quo vadis München

In meiner Heimatstadt haben wir eine feine Flusswellen und das beste Bier der Welt. Unser einziges Problem: Wir sind nicht mehr die einzigen, die das wissen. Dementsprechend geht’s am Fluss zu. 2010 wird besonders spannend . Der Dokumentarfilm über den Eisbach ist in die Kinos gekommen. Einen Gewinner gibt es bereits schon: Die Münchner Surfindustrie, die boomt. Ich stelle mir die Frage, wie wir Surfer von dieser Entwicklung profitieren können.

Neulich im Internet fand ich auf einer amerikanischen Seite, die sich mit Riversurfen beschäftigt, ein Interview mit einem Münchner. Dieser leitet eine Surffirma und sagte, dass es in der Hand der Industrie liegt ob Riversurfen noch weiter gepusht wird. Diese Ehrlichkeit nötigte mir Respekt ab. Da stellt sich mal einer hin und sagt unverblühmt wie es ausschaut: “Die Meinung von uns kleinen Surfern, die sich da draussen den Arsch abfrieren, zählt nicht. Wichtig ist nur was der Industrie nützt.”
Da wurde ich wütend als ich an die letzten Jahre dachte:” Wo war denn die Industrie als Sponsor, als es darum ging diese Tube6 ( tubende Riversurfwelle in der Innenstadt) als Dreingabe zur WM 2006 zu bauen? Und warum kann die Rampe am Bach eigentlich nicht von einem Surfshop bezahlt werden?“ Stadtdessen wird im Inkassoverfahren bei den Schülern und Studenten Geld eingesammelt.

Und was wollen wir Surfer eigentlich? Ingo hat schon vor 10 Jahren aufgehört zu surfen, weil ihn die Wartezeiten am Bach bei 5 Leuten zu sehr gestresst haben. Wenn ich heute den Luxus haben will, mit nur 5 Leuten unter der Brücke zu stehen, muss ich wahrscheinlich im Winter mitten in der Nacht kommen. Als es dann letzten Sommer geheißen hat , dass eine Eisbach -Crew Surfkurse anbieten werde , war die Szene schon sehr erstaunt. Bei genauerer Nachfrage stellte sich dann heraus , dass es sich um ein soziales Projekt mit benachteiligten Jugendlichen handeln soll. Warum die Kids dann noch 50 Euro am Tag bezahlen sollten, war etwas seltsam. Ein Münchner Surfshop stand bereits schon in den Startlöchern, um dass Ganze zu promoten.

Wie konnte es soweit kommen? Gerade in dieser Stadt , die dafür bekannt war, eine der eingeschworensten Szenen zu haben. Vor 10 Jahren wurden noch Journalisten unter Gewaltandrohung vom Bach vertrieben. Was ist mit den ganzen Alten los, die immer nur für sich gesurft sind ohne den ganzen Presse- und Sponsorenrummel zu suchen? Haben Sie es einfach so akzeptiert , dass meine Generation ihre Spots mit Contests, Fotos und Videofilmen richtig populär gemacht hat?
Rückblick: Ein Wochenende im Juli 2009. In einer Woche wird der alljährliche Contest stattfinden. Es warten ungefähr 50 Surfer in der Schlange. Wer sich nicht “aktiv anstellt”, wartet etwa 15 Minuten zwischen den einzelnen Ritten. Umso ärgerlicher für Anfänger, die ungefähr 6 Sekunden auf dem Brett stehen, bevor sie ins Wasser fallen. Ich treffe einen Contestveteranen. Bei so vielen Leuten geht er gar nicht ins Wasser. Er hat am Wochenende meistens nicht einmal mehr sein Surfbrett dabei. Er fährt schon seit 3 Jahren keine Contests mehr mit. Für ihn ist der Spassfaktor abhanden gekommen. Er erinnert sich gerne an die Jahre zurück als alle Teilnehmer verkleidet waren und ein 360 die sichere Finalteilnahme bedeutet hat. Heute wird der Wettbewerb immer noch als Spasscontest von den Veranstaltern beworben, aber ein 360 gehört heutzutage zum Standartrepartoire der Teilnehmer. Klar hat sich das Trickniveau in den letzten Jahren stark verbessert. Darum wird ein ganz schöner Hype gemacht, wenn man bedenkt, dass wir Surfer den Skateboardfahrern tricktechnisch 20 Jahre hinterherhinken. In dieser Stadt gab es die letzten 5 Jahre eigentlich nur 2 Surfer, die das Trickniveau weiter gepusht haben. Wenn man die Beiden surfen gesehen hat, hat man Alle gesehen. Wir alle anderen reproduzieren ehrlichgesagt nur deren Tricks.

Ein anderer Aspekt, der doch auch sehr unseren Surfhabitus verändert hat, ist Facebook. Fotoapparate und Camcorder sind immer im Gepäck, um den perfekten Moment nicht zuverpassen. Die wunderschöne Fahrt , der gelungene Trick sollen für die Ewigkeit und für die Netzgemeinschaft fest gehalten werden. Hier mal ein Hinweis an alle jungen Surfer, die eine unentdeckte Welle finden: “Gründet einen Verein oder eine Crew und macht eine Homepage drüber. Veröffentlicht möglichst viele gute Fotos und Videos von euch und der Welle. Bald seid ihr berühmt, findet einen Sponsor und habt genausoviel Gaudi wie wir hier in München!” Mittlerweile gibt es Online Surfmedien , die alleine Riversurfen in den Focus stellen. Der große Bruder Meersurfen , wird gar nicht mehr benötigt, so groß ist das Interesse. Ich bin gespannt, wann das erste gedruckte Riversurfmagazin erscheinen wird. Diese Entwicklung läuft frei nach dem Motto:“ Die dümmsten Kälber schlachten sich selber“

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